Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Nachfrageseite

Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Nachfrageseite
1. Charakterisierung: In makroökonomischen Totalmodellen offener Volkswirtschaften wird die Nachfrageseite durch drei Gleichgewichtskurven beschrieben: Die IS-Kurve als Gleichgewichtskurve des gesamtwirtschaftlichen Gütermarktes, die LM-Kurve als Gleichgewichtskurve des Geldmarktes und die Z-Kurve als Gleichgewichtskurve des gesamtwirtschaftlichen Devisenmarktes. Dabei wird das Ausland oder der Rest der Welt wie eine einheitliche große offene Volkswirtschaft aufgefasst, in der ein homogenes, universell verwendbares Gut bzw. Güterbündel produziert wird, welches auch vom Inland nachgefragt wird und mit dem im Inland produzierten Endprodukt konkurriert. Ebenso wird das im Inland hergestellte Gut nicht nur dort abgesetzt, sondern auch ins Ausland exportiert. Bez. der Nachfrage wird unterstellt, dass es sich beim Inlands- und Auslandsgut um unvollkommene Substitute handelt, so dass sie sich in ihren Preisen unterscheiden können. Hinsichtlich des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte bei der Aufstellung ihrer Wirtschaftspläne wird von  Realplanung (bzw. Freiheit von Geldillusion) ausgegangen.
- 2. Gleichgewichtskurven: a) Gütermarkt: In einer offenen Volkswirtschaft ist in der Gleichgewichtsbedingung des Gütermarktes, die sich durch die IS-Gleichung beschreiben lässt, neben der einkommensabhängigen Konsumnachfrage C(Y), der zinsabhängigen Investitionsnachfrage I(i), den Staatsausgaben für Güter und Dienstleistungen G auch der  Außenbeitrag A zu berücksichtigen. Der Außenbeitrag oder Handelsbilanzsaldo ist als Differenz zwischen Güterexport und -import positiv vom Auslandseinkommen Y* und negativ vom Inlandseinkommen Y abhängig, da eine Zunahme von Y* bzw. Y den Export bzw. Import erhöht. Außerdem hängt der Außenbeitrag von den  Terms of Trade τ, d.h. vom Verhältnis zwischen inländischem (P) und ausländischem (P*) Preisniveau ab, wobei Letzteres durch Multiplikation mit dem  Wechselkurs in Preisnotierung e in Einheiten der Inlandswährung ausgedrückt wird. Da durch eine Steigerung von τ = P/(P* · e) das Inlandsgut relativ zum Auslandsgut teurer wird, führt dies zu einem Rückgang des mengenmäßigen Güterexports X und einer Steigerung des mengenmäßigen Imports Im; im Normalfall ist hiermit eine Verschlechterung des inländischen realen Außenbeitrages verbunden.A = X (Y*, τ) – 1/τ · Im(Y,τ) = A(Y*, Y, τ)(sog. Normalreaktion des Außenbeitrages auf Terms of Trade-Änderungen). Insgesamt wird das Güternachfragegleichgewicht in einer offenen Volkswirtschaft durch die IS-GleichungY = C(Y) + I(i) + G + A(Y*, Y, τ)beschrieben. Genau genommen ist in der Konsumfunktion C das Volkseinkommen Y durch das verfügbare Einkommen Yv = Y – T zu ersetzen, da Steuerzahlungen (T) an den Staat zu leisten sind; dieser Aspekt bleibt in makroökonomischen Totalmodellen offener Volkswirtschaften i.d.R. unberücksichtigt.
- b) Geldmarkt: Die Gleichgewichtsbedingung des Geldmarktes, die durch die LM-Gleichung beschrieben wird, lässt sich ebenso wie in einer geschlossenen Volkswirtschaft darstellen:M / P = L(Y, i),wobei: δL/δY > 0 und δL/δi < 0. Hierbei wird unterstellt, daß die heimische Währung ausschließlich von Inländern nachgefragt wird und daß die Geldhaltung (L) gemäß der Keynesschen Liquiditätspräferenztheorie erfolgt. Die Grenzfälle einer vollkommen zinselastischen bzw. zinsunelastischen Geldnachfrage, die nur bei sehr niedrigem bzw. hohem Zinsniveau auftreten können, spielen in der Makroökonomik offener Volkswirtschaften keine Rolle, da der Inlandszins weitgehend durch den Zinssatz des großen Auslands determiniert ist. Die Geldmenge M kann im System flexibler Wechselkurse als exogene Größe angesehen werden, die unter Kontrolle der Zentralbank steht; bei Vorliegen eines Systems fester Wechselkurse ist sie endogen.
- c) Devisenmarkt: Weiterhin ist die Z-Kurve als Gleichgewichtskurve des Devisenmarktes zu berücksichtigen. Dabei steht der Buchstabe Z für den Zahlungsbilanzsaldo im Sinn des Devisenbilanzsaldos. Diese Bezeichnungsweise kommt daher, dass internationale Güter- und Kapitaltransaktionen statistisch in der  Zahlungsbilanz eines Landes erfasst werden. Auf dem makroökonomischen Devisenmarkt treten neben Exporteuren und Importeuren v.a. in- und ausländische Kapitalanleger in Erscheinung. In der traditionellen stromgrößenorientierten Betrachtung des Devisenmarktes ist Devisenmarktgleichgewicht dann gegeben, wenn das aus dem nominalen Güterexport und internationalen Kapitalzuflüssen resultierende Devisenangebot genau der aus dem nominalen Güterimport und Kapitalabflüssen resultierenden Devisennachfrage entspricht. Hierbei wird von möglichen Devisenmarktinterventionen seitens der Zentralbank abgesehen. Da jeder positive oder negative Angebotsüberschuss auf dem Devisenmarkt gemäß der Zahlungsbilanzgliederung mit dem nominalen Überschuss der Devisenbilanz, d.h. dem Devisenbilanzsaldo, übereinstimmt, nimmt bei einem Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt der Devisenbilanzsaldo Z als Summe von nominalem Außenbeitrag P · A. (Leistungsbilanzsaldo) und Nettokapitalimport K (Kapitalbilanzsaldo) den Wert Null an. Unterstellt man, dass die internationalen Kapitalströme vom in- und ausländischen Zinssatz i bzw. i* abhängen, lautet die Gleichgewichtsbedingung des Devisenmarktes:Z = P ·A(Y*, Y, τ) + K(i, i*) = 0.Hierbei wird angenommen, dass eine Zunahme des inländischen (ausländischen) Zinssatzes den Nettokapitalimport erhöht (verringert). Das IS-LM-Z-System ( Mundell-Fleming-Modell; Abbildung „Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Nachfrageseite (1)“) überträgt das von Hicks entwickelte IS-LM-Modell für geschlossene auf offene Volkswirtschaften: Die gegenüber dem traditionellen IS-LM-Modell neu hinzugetretene Z-Kurve gibt alle Kombinationen von inländischem Zinssatz und Inlandseinkommen an, die mit einem Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt vereinbar sind. Sie verläuft im i-Y-Diagramm – ebenso wie die LM-Kurve – mit positiver Steigung, da eine Steigerung des Inlandseinkommens die Güterimporte und damit die Devisennachfrage erhöht; zur Wiederherstellung eines Devisenmarktgleichgewichts ist dann eine entsprechende Zunahme des Devisenangebots erforderlich, was über eine inländische Zinssteigerung und eine daraus resultierende Erhöhung der Nettokapitalimporte erreicht werden kann.
Die Z-Kurve verläuft um so flacher, je zinsreagibler die internationalen Kapitalströme sind. Im Grenzfall vollkommen zinselastischer Nettokapitalimporte (δK/δi = + ∞) weist sie einen horizontalen Verlauf auf (Abbildung „Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Nachfrageseite (2)“). Einem solchen Kurvenverlauf liegt ein vollkommener internationaler Kapitalmarkt zugrunde, auf dem in- und ausländische Vermögenstitel aus Sicht der Anleger perfekte Substitute sind und bei uneingeschränkter Kapitalmobilität (d.h. einer sehr hohen Anpassungsgeschwindigkeit auf diesem Markt) stets die gleichen Ertragsraten aufweisen.
Sieht man von Wechselkursänderungserwartungen als weitere Renditekomponente für ausländische Vermögensanlagen ab, kann es keine Zinsdifferenz zwischen dem in- und ausländischen Zinssatz geben; die Gleichgewichtsbedingung des Devisenmarktes geht dann in die Bedingung für die ungedeckte  Zinsparität i = i* über. Perfekte Substituierbarkeit in- und ausländischer Vermögenstitel in Kombination mit uneingeschränkter Kapitalmobilität wird auch als vollkommene Kapitalmobilität bezeichnet. In keynesianischen Totalmodellen wird dieser Fall typischerweise zugrunde gelegt. Dies hat den Vorteil, dass sich die Nachfrageseite graphisch in einem P-Y-Diagramm darstellen lässt (vgl. Abbildung „Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Nachfrageseite (3)“).

Lexikon der Economics. 2013.

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